Am 6. Mai 1976 um 21 Uhr traf ein Erdstoß mit Intensität 6.4 der Richterskala (was der Intensität 11 der Skala „Mercalli – Cancani – Sieberg“ entspricht) Friaul, mit Epizentrum im Berg San Simeone: in Mitleidenschaft gezogen wurde ein Gebiet von ca. 5.700 Quadratkilometern und 137 Gemeinden. 45 von diesen wurden als zerstört erklärt, 40 als schwer beschädigt und 52 als beschädigt.
In Venzone forderte das Erdbeben 47 Opfer und verursachte schwerste Schäden am architektonischen Besitz der mittelalterlichen Altstadt. Dennoch hielten viele Gebäude der Gewaltigkeit der Erdstöße stand: unter diesen der Dom zum Hl. Andreas und das Rathaus.
Im September desselben Jahres kam es, nach einer Reihe von geringeren Erdstößen während des Sommers, zu erneuten seismischen Phänomenen, deren Höhepunkt am 15. September erreicht wurde: um 5.20 Uhr und um 11.15 Uhr wurden zwei Erschütterungen von 6.1 der Richterskala registriert, welche mehr als 100.000 Personen zwangen, das zerstörte Gebiet zu Füßen des Berges S. Simeone zu verlassen. In Venzone waren die Auswirkungen verheerend; Gebäude, die den ersten Erdstoß im Mai und die weiteren überlebt hatten, stürzten nun ein und hinterließen nur Trümmerhaufen.
Die Altstadt Venzones wies ein bauliches Gefüge auf, das sich hauptsächlich an der Wende zwischen dem 13. und 14. Jhdt. entwickelt hatte und einige bedeutende Abänderungen bis zum 17. Jhdt. erfahren hatte. Vom 18. Jhdt. an kam es durch den wirtschaftlichen Rückgang zu immer weniger architektonischen und restaurierenden Eingriffen an den Gebäuden des mittelalterlichen Städtchens.
Die Sanierung der Altstadt nach dem verwüstenden Erdbeben erwies sich anfänglich als problematisch. So führte das unkontrollierte Arbeiten der Bagger, die nach dem 6. Mai den Bauschutt wegbringen sollten, zur unbegründeten Demolierung vieler Bauten.
Dank des unmittelbar gegründeten „Koordinationskomitee für die Sicherstellung der Kulturgüter“ konnte zunächst der mobile Kunstschatz vor weiteren Schäden oder – noch schlimmer – vor Diebstahl bewahrt werden. In der Folge widmete man sich der Sicherstellung der Fresken und der Abstützung der noch vorhandenen Bauteile der historischen Gebäude.
In den Monaten nach dem Erdbeben vom 15. September wurde parallel zu den Baggerarbeiten die Rettung der Steinelemente verfolgt: es zeigte sich, dass Doppelbögen, Wappen, Simse, Portale und Mauerreste gerettet werden können. In einigen Fällen legte man sogar die Elemente am Boden neben dem entsprechenden verbliebenen Bauteil zusammen und verfasste eine graphische Darstellung für den Wiederaufbau. Das Jahr 1977 verzeichnet qualvolle Momente durch die unkontrollierte Demolierung einiger Gebäude an der Hauptstraße: es entstand das „Komitee 19. März“ als Bezugspunkt für die Problematik des Wiederaufbaus, das zu einem Volksbegehren aufrief, in dem 645 Unterschriften die Zustimmung erteilten, Venzone wieder aufzubauen „wo es war und wie es war“.
Dank der umfangreichen Dokumentation bezüglich der Zeit vor dem Erdbeben war es möglich, einen detaillierten Plan zu erstellen, der die Bewahrung der originalen Materie zum Ziel hatte. Ihr sollte die Rolle anvertraut werden, Zeuge der historischen Kontinuität zu sein, indem sie auch die Spuren des Erdbebens und die Wiederherstellung des Gesamtbildes Venzones mittels eines getreuen Wiederaufbaus der zerstörten Teile lesbar macht. Dies alles geschah durch die genaue Vermessung der Mauerreste, durch die Ermittlung der Fundamente der zerstörten Teile und durch die Prüfung auf Übereinstimmung mit den alten Plänen, die Sicherstellung und Wiederherstellung der gebliebenen und geretteten Mauer- und Steinelemente.
Das Erdbeben vom 6. Mai war für den Dom zum Hl. Apostel Andreas nicht verheerend: man vermerkte den Einsturz des südlichen Turms und des angrenzenden Querschiffs, den Einsturz des Giebelfelds der Hauptfassade und die komplette Zerstörung der Kapelle zum Hl. Michael. Deshalb war die Sicherstellung des Kunstbesitzes möglich, eine kontrollierte Räumung und Selektion des eingestürzten Materials, eine photogrammetrische Erhebung auf den Innen- und Außenfrontseiten, Feld um Feld, samt den Gewölben.
Die Erdstöße vom 15. September erwiesen sich als verheerend: nur einige Mauerabschnitte blieben bestehen, wenn auch ziemlich schief; doch wurden die am Boden liegenden Teile nicht demoliert, sondern nur auseinandergenommen. Die Steine waren nämlich fast alle physisch erhalten; verloren gingen nur ihre Verbindungen.
1982 begannen die Katalogisierungsarbeiten aller Quadersteine und rechtwinkeligen Bruchstücke: für jeden Stein wurde eine Karteikarte angelegt. Diese enthielt die Ordnungsnummer, eine Beschreibung, fotographische Aufnahmen aller Sichtseiten und ein Kennzeichen, das die Einsturzstelle sowie die Art des Steines im Hinblick auf seine bauliche Funktion anzeigte. Insgesamt wurden 8.000 Quadersteine katalogisiert.
Die Ziele, die das Projekt der Sanierung und Wiederzusammensetzung des Doms von Venzone zum Symbol des Wiederaufbaus werden ließen, sind folgende:
- das Aufbauen der Quadersteine genau an derselben Stelle, an der sie sich vor dem Einsturz befanden (Anastilosis – Wiedererrichtung mit Verwendung originaler Teile);
- die Unterscheidbarkeit zwischen authentischem Stein und Integrations- bzw. Ersatzstein;
- das Bewahren der Spuren und Zeichen am Werk, die das zerstörende Ereignis des Erdbebens bezeugen;
- die philologische Strenge in der Definition aller für den Wiederaufbau notwendigen Maße und Quoten.
Die integrierten und ersetzten Steine unterscheiden sich noch heute von den originalen durch eine besondere Bearbeitung der Oberfläche, die ihre Unechtheit unterstreichen soll.
Die 1995 beendeten Renovierungsarbeiten geben somit eines der Symbole der Wiedergeburt Friauls zurück.